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Erfahren Sie, wie sorgfältige Diagnose und Therapie bei Atemwegserkrankungen aussehen und wie Sie Ihr Pferd bestmöglich versorgen.

© S.

Endlich aufatmen

Unterschätzt, verkannt und falsch behandelt – so stellen sich Atemwegserkrankungen häufig in der Praxis dar. Die Folge: Chronische Atemwegserkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten unserer Pferde. Studien belegen, dass etwa 50 Prozent aller in Boxen gehaltenen Pferde von chronisch obstruktiver Bronchitis (COB) betroffen sind (Fey, 2006). Dabei sind die Patienten eigentlich im besten Alter. Nach einer Umfrage von Dr. Beatrice Lehmann, Freie Universität Berlin, betrug das Durchschnittsalter der Pferde in Deutschland beim erstmaligen Auftreten von COB rund zehn Jahre.

Erkrankungen der Atemwege beeinträchtigen Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden oft erheblich und führen bei ungünstigem Verlauf zu enormem Leidensdruck – den Patienten bleibt schlicht die Luft weg. Dennoch werden Anzeichen für Atemwegsprobleme häufig auf die leichte Schulter genommen. „Wir husten ja auch mal“, ist ein recht halbherziger Erklärungsversuch.

„Gesunde Pferde husten nicht“, sagt Dr. Ulrich Mengeler. Der Tierarzt aus Hamminkeln behandelt in seiner Praxis zahlreiche Patienten mit teilweise fortgeschrittenen oder verschleppten Atemwegserkrankungen.
 „Viele Pferde, sicher 50 Prozent, werden erst spät und manchmal zu spät vorgestellt“, sagt Dr. Mengeler, der Kollegen, aber auch Stallbetreiber und Pferdebesitzer gleichermaßen in der Verantwortung sieht. „Das A und O ist eine sorgfältige Diagnostik, konsequente Therapie und die Kooperation der Pferde- und Stallbesitzer.“ Die erfolgreiche Behandlung von Atemwegserkrankungen ist kein Hexenwerk, und für den erfahrenen Praktiker steht fest: Grundlage des Behandlungserfolgs ist die umfassende Diagnose.

Doch bereits hier sind die ersten Patienten raus: Viele Pferde werden schlicht nicht sorgfältig genug untersucht. Dass dem Abhören zum Beispiel eine Atmungshemmung vorausgehen muss, entfällt in der Praxis oft. Stattdessen wird im schlimmsten Fall mal auf Verdacht ein Tütchen Antibiotika gereicht oder es mit einem Schleimlöser versucht. In den Stallapotheken sammeln sich Tuben, Dosen und Fläschchen zur Therapie in Eigenregie – im Einzelfall durchaus Mittel, die ihre Berechtigung haben, doch ohne Diagnose und Absprache mit einem Therapeuten kaum zu langfristigem Erfolg führen.

Ebenso wenig Erfolg versprechend sind wirksame Medikamente, wenn die Haltungsbedingungen der Pferde nicht angepasst werden. In der Umfrage von Dr. Beatrice Lehmann wurde der Kontakt zu trockenem Heu in über der Hälfte der Fälle als Auslöser für die Verschlechterung einer COB-Erkrankung ermittelt. In 70 Prozent der Fälle, so ein weiteres Ergebnis, traten Krankheitsverschlechterungen auf, im Rahmen derer Krankheitssymptome über rund acht Wochen bestehen blieben.

Von Panikmache bis Schleifenlassen
Doch Pferdebesitzern, die nach wenigen Tagen für ihr hustendes Pferd einen Tierarzt rufen, wird von Stallkollegen unter Umständen Panikmache vorgeworfen. Tierärzten, die ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen, gerne mal Abzocke. Lieber wird probiert, geschmiert und abgewartet.

So kommt es zu einem fatalen Krankheitsverlauf: Pferde haben durch ihre große Lunge eine lange Kompensationsphase. Wenn ein Freizeitreiter Einbußen bemerkt, dann ist Holland in Not. Dazu Dr. Mengeler: „Tatsächlich haben wir schon Pferde mit hochgradigen Lungenproblemen gesehen, die am Tag vorher noch auf einem Turnier vorgestellt wurden oder im Festumzug mitgelaufen sind.“

Anzeichen für eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Atemwegsorgane ernst zu nehmen ist somit keine Panikmache. Auch wenn der Husten an sich keine Krankheit ist, sondern ein Schutzmechanismus, zeigt dieser fast immer eine Erkrankung der Atemwege an. Jeder Husten, der mehrere Tage auftritt oder in Abständen wiederkehrt, sollte  daher durch einen Tierarzt abgeklärt werden. Dabei sind, so die Erfahrung des Praktikers, die tieferen Atemwege mit Luftröhre und Lunge häufiger betroffen als die oberen Atemwege.

Unklare Indizienlage
Hustet ein Pferd, ist dies noch kein zuverlässiges Indiz für die Schwere einer Erkrankung. Ein akut hustendes Pferd kann unter einer leichten Kehlkopfreizung leiden, während der sporadisch hüstelnde Stallkollege dagegen eine ernsthafte Lungenerkrankung hat. Pferde, die husten, haben zwar definitiv ein Atemwegsproblem. Dies lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass Pferde, die nicht husten, keine Probleme haben.

Fakt ist: Nicht jedes Pferd hustet, obwohl eine ernsthafte Erkrankung der Atemwege vorliegt. „Der Schweregrad einer Krankheit korreliert nicht unbedingt mit der Schwere des Hustens. Das macht die Früherkennung für den Besitzer schwierig“, räumt der Tierarzt ein und erklärt, dass diese Zusammenhänge dazu führen, dass besonders Erkrankungen der unteren Atemwege oft lange falsch eingeschätzt werden und unentdeckt bleiben.

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