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Nach der neuen EU-Warenkaufrichtlinie hat der Käufer nicht nur sechs Monate Zeit, das Pferd ohne Beweis, dass der Mangel bereits vorgelegen hat, zu reklamieren, sondern ein Jahr.

© A. González

Warenkaufrichtlinie macht Sorgen

Die FN möchte die Herausnahme lebender Tiere aus dem Verbrauchsgüterkaufrecht erreichen.
Wer ein Pferd kauft, muss damit rechnen, dass es auch einmal krank wird oder sich verletzt. Aus rechtlicher Sicht spielt dabei die Frage, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferds vorgelegen hat, eine entscheidende Rolle.
Die EU hat 2019 eine neue Warenkaufrichtlinie verabschiedet, die seitens der Mitgliedsstaaten bis zum
1. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. Diese Richtlinie privilegiert den Verbraucher.
Aus Sicht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung sprechen aber verschiedene Argumente dafür, dass Pferde aus der Warenkaufrichtlinie herausgenommen werden sollten. Wenn eine Privatperson ein Pferd von einem Unternehmer kauft und das Pferd innerhalb von sechs Monaten einen Mangel aufweist, dann enthält das Verbrauchsgüterkaufrecht eine Vermutung, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Tieres an den Käufer vorgelegen hat. Der Käufer muss dafür keinen Beweis erbringen, der Verkäufer kann aber versuchen, das Gegenteil zu beweisen (Beweislastumkehr). Tritt ein Mangel erst sechs Monate bis zu zwei Jahren nach Gefahrenübergang auf, muss der Käufer beweisen, dass der Mangel schon zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorgelegen hat.
Nach der neuen EU-Warenkaufrichtlinie hat der Käufer nicht nur sechs Monate Zeit, das Pferd ohne Beweis, dass der Mangel bereits vorgelegen hat, zu reklamieren, sondern ein Jahr. Hierdurch entsteht ein Nachteil für den Unternehmer.

Warum der Verkäufer noch mehr Nachteile hätte

Die Beweislastumkehr geht zugunsten des Verbrauchers, denn nach dem Gesetz wird vermutet, dass der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer im Hinblick auf Informationen über die zu verkaufende Ware benachteiligt ist.
Dies trifft jedoch nicht auf den Kauf eines Tieres zu, so die FN, denn das Tier wird individuell ausgewählt, besichtigt und ausprobiert. Alles Weitere überlassen Käufer und Verkäufer einem Tierarzt, der eine Kaufuntersuchung durchführt und dabei in begrenztem Umfang tiermedizinische Befunde erheben und bewerten kann. Auch ein Verbraucher könne die vorhandenen tiermedizinischen Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen, so die FN. Deshalb sei ein Wissensvorsprung des Unternehmers fast ausgeschlossen.
Die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr setzt die bei der Kaufuntersuchung tätigen Tierärzte einer nicht erfüllbaren Erwartung aus: Sie sollen Prognosen zur weiteren gesundheitlichen Lebensgeschichte eines Pferds und dessen Eignung für einen Einsatz im Sport oder der Zucht abgeben.
Die Kaufuntersuchung ist jedoch stets eine Momentaufnahme, die keine Prognosen über den mittel- und langfristigen Gesundheitszustand des Pferds zulässt. Darüber hinaus sind auch die tatsächlichen Möglichkeiten des Tierarzts beschränkt, weil ihm das Pferd klinisch anders erscheinen kann, als es tatsächlich beschaffen ist.
Pferde sind Lebewesen, die sich naturgemäß stetig verändern. Veränderungen der Umwelteinflüsse, eine Umstellung in Pflege, Fütterung, Haltung und Bewegung sowie nicht fachgerechtes Training können massive Auswirkungen auf das Verhalten eines Pferds haben sowie zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands und seiner Leistung führen.
Nach dem Kauf können stets Mängel entstehen, für die der Verkäufer nicht verantwortlich sein kann. Es existiert deshalb kein Erfahrungssatz, nach dem Verletzungen, gesundheitliche Defizite oder Leistungsausfälle bei Tieren in aller Regel bereits bis zu sechs Monate zuvor in dem Tier angelegt waren.
Unabhängig von der neuen EU-Richtlinie ist eine Garantiehaftung für den Tierkauf, wie sie aktuell aus dem Verbrauchsgüterkaufrecht folgt, rechtlich und soziologisch inakzeptabel. Tiere können bei einem Streit über Gewährleistungsrechte nicht beiseitegestellt und bis zu einer Herausgabe schlicht aufbewahrt werden. Sie bedürfen permanenter Pflege, Zuwendung und artgerechter Haltung. Mit der Kaufentscheidung übernimmt der Käufer eine Verantwortung für das Tier, die es beim Kauf von Fabrikationsware nicht in vergleichbarer Art und Weise gibt. Deshalb dürfen zulasten der
Tiere keine Verbraucherschutzregeln geschaffen werden, die es ermöglichen oder gar dazu verleiten könnten, die gebotene Pflege, Zuwendung und Fürsorge zu irgendeinem Zeitpunkt in den Hintergrund treten zu lassen.

Diese Gefahr besteht jedoch bei einer faktischen Garantiehaftung des Verkäufers. Sie kann dazu führen, dass sich ein Tierkäufer nach dem Kauf nur vorläufig als Eigentümer des gekauften Pferds sieht und sich der Verantwortung für das Tier entzieht, weil er bis zu einem Jahr nach Gefahrenübergang nicht das volle wirtschaftliche Risiko trägt. Quelle: FN
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