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Auch in der Dressur reiten zunehmend international startende Vorbilder mit Helm statt Zylinder.

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Besser mit Helm

Die Rechtsprechung hinsichtlich der Helmpflicht ist uneinheitlich und disziplinabhängig. Es steht die Freiheit des Einzelnen kontra die Verpflichtung zum Selbstschutz.

Seit Januar 2013 gilt in der LPO die erweiterte Helmpflicht für Jugendliche bis 18 Jahre, alle Prüfungen der Klassen E und A und Springreiter. Ab der Klasse L haben erwachsene Dressurreiter die Wahl, ob sie mit Kappe, Melone oder Zylinder reiten möchten.
Soweit sind die Vorgaben für das Reiten auf dem Turnier eindeutig. Zu Hause kann nach wie vor jeder reiten, wie er möchte; es gibt weder eine Helmpflicht noch eine Pflicht zum Tragen von Schutzwesten oder überhaupt Reitkleidung. Gleiches gilt für Ski- und Radfahrer. Wie sich das Nichttragen eines Schutzhelmes im Schadensfall auswirkt, ist somit allein eine Frage des Mitverschuldens des Geschädigten selbst und gegebenenfalls der Haftung dritter verantwortlicher Personen. Die Frage gewinnt gerade im Zusammenhang mit Fahrradfahrern zunehmend an Bedeutung und war auch Thema des deutschen Verkehrsgerichtstags 2012.
Im Skisport kam es 2009 zu medialer Brisanz durch den tödlichen Unfall unter Beteiligung des thüringischen Ministerpräsidenten Althaus. Vor dem Landgericht München bekam ein Skifahrer ohne Helm, der von einem stürzenden Skifahrer mitgerissen und dabei schwer am Kopf verletzt wurde, nur die Hälfte seiner Ersatzansprüche zugesprochen, da sein Mitverschuldensanteil mit 50 % bemessen wurde.

Ohne Kappe selbst schuld?

Durch das Tragen des Helms hätten die Kopfverletzungen vermieden werden können (LG München II, 10 O 3954/10). Auch Motorradfahrer mussten schon lange vor der Einführung der Helmpflicht mit Kürzungen ihrer Ansprüche rechnen, wenn sie Verletzungen erlitten, die durch das Tragen eines Helms oder Schutzkleidung geringer ausgefallen wären. Gleiches gilt für die Reiter. So wurde im Falle einer 16-jährigen Reiterin dieser ein erhebliches Mitverschulden sowohl an ihrem Sturz als auch an den erlittenen Kopfverletzungen zuerkannt, da sie sich ohne Reitkenntnisse auf ein Pferd gesetzt hatte, und dazu über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügen musste, das Risiko des Reitens ohne Reitkappe zu erkennen (LG Erfurt, Urteil vom 23. Februar 2007, 3 O 1529/06).
Verklagt war in diesem Fall die Stallbetreiberin, die der Geschädigten das Pferd für einen Ausritt mit der Freundin zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem Zeugen des Vorgangs ausgesagt hatten, dass die Stallbetreiberin zuvor mehrfach nachgefragt habe, ob die Klägerin über Reiterfahrung verfügte, was von den beiden Mädchen bejaht wurde und dass die Beklagte auf das Erfordernis des Tragens einer Reitkappe hingewiesen hatte, wurde die Klage durch das Gericht abgewiesen. Die Beklagte traf an dem Unfall keine Schuld.

Schon 1992 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine 15-Jährige, die sich ohne Reitkenntnisse und ohne Reitkappe entgegen des Verbots der Mutter auf ein Pferd setzt, zu einem Drittel ein Mitverschulden an den erlittenen Verletzungen anrechnen lassen muss. Das Landgericht Wuppertal hatte der Klage der Geschädigten gegen den in Anspruch genommenen Tierhalter in vollem Umfang stattgegeben, in zweiter Instanz hielt das OLG Düsseldorf die Einräumung eines Mitverschuldens der Reiterin zu 1/3 für angemessen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Revision und behauptete, das Tragen einer Reitkappe sei unter Jugendlichen im Jahre 1988 nicht üblich gewesen. Das Argument ließ der BGH jedoch nicht gelten, da es hierzu an einer konkreten Beweiserhebung fehlte (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1992, VI ZR 53/92).

Tatsächlich hängt die Bewertung von Risiko und Handlungsfreiheit des Einzelnen von der sogenannten allgemeinen Verkehrsanschauung ab, also davon, ob es ein allgemeines Bewusstsein zur Notwendigkeit der gebotenen Handlung gibt. 1965 hat der Bundesgerichtshof bei einem Motorradunfall seine Auffassung davon, was als erforderlich galt, unter anderem darauf gestützt, dass die meisten Kradfahrer damals schon Helme trugen, obgleich dies nicht vorgeschrieben war (BGH, 9.2.1965, VI ZR 253/63). So wird bei den Radfahrern bislang eine Anspruchskürzung aufgrund Mitverschuldens nur dann für gerechtfertigt gehalten, wenn ein Radfahrer aus sportlichen Gründen unterwegs ist (OLG Düsseldorf, NJW 2007, 3075). Aus dem Umstand, dass bislang lediglich 6 % aller „normalen“ Radfahrer einen Helm trage, ergebe sich, dass die Allgemeinheit das mit dem Fahrradfahren verbundene Risiko offenbar auch ohne Helm für beherrschbar halte (OLG Saarbrücken, Urteil vom 9. Oktober 2007, 4 U 80/07).
Dieses Urteil sprach einer Radfahrerin, die mit einer sich plötzlich öffnenden Fahrertür eines Autos kollidierte und bei ihrem Sturz erhebliche Kopfverletzungen erlitt, Schadensersatz in vollem Umfang zu. Die Tatsache, dass hier kein Helm getragen wurde, wurde nicht anspruchsmindernd berücksichtigt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob ein Fahrradfahrer ohne Helm seine Pflicht zum Selbstschutz verletzt, noch nicht entschieden.
Bei den Reitern dürfte dies mittlerweile außer Frage stehen, zumindest, was die Vorgaben der LPO und das Reiten im Gelände betrifft. Allein das Dressurreiten von Erwachsenen ab der Klasse L bietet diesbezüglich noch Diskussionsstoff, wenngleich auch in diesem Bereich mittlerweile viele sogar international reitende Vorbilder mit Schutzkappe zu beobachten sind.
Ob sich daraus ein allgemeiner Konsens zur Notwendigkeit des Kappetragens und damit zu einer generellen Anspruchsminderung auch beim Dressurreiten fortgeschrittener Reiter ableiten lässt, ist jedoch ebenso offen wie bei den normalen Radfahrern im Straßenverkehr.

Olga A. Voy-Swoboda
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