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Licht, Luft, Bewegung, gutes Futter: Je pferdegerechter die Haltung, desto geringer ist das Kolikrisiko.

© Dr. Jasmin Wiedemann

Herbstzeit – Kolikzeit

Koliken sind so gefürchtet, weil sie innerhalb weniger Stunden vom leichten Unwohlsein zum schlimmen Desaster ausarten können. Minderwertiges Futter, Futterumstellungen, Wetterumschwünge und Stress­situationen können die Kolik auslösen. Der Herbst ist eine sensible Zeit für kolikanfällige Pferde.

In den Verdauungsorganen des Pferdes findet eine intensive chemische Umwandlung seiner Futtermittel statt. Bakterien und Enzyme bewirken eine Gärung oder Fermentation.
Pferde verdauen konzentrierte, gehaltvolle, rohfaserarme Nahrung wie Kraftfutter hauptsächlich im Magen und Dünndarm. Restmengen konzentrierter Nahrung und alle schwer verdaulichen Bestandteile des Futters, beispielsweise Cellulose von Gras, Heu und Stroh, fließen in den Dickdarm und werden beim Pferd im verhältnismäßig großen, magensackähnlich erweiterten Blinddarmteil des Dickdarms mikrobiell fermentiert.
Der Vorgang der Nahrungsaufnahme richtet sich grundsätzlich nach den stofflichen und energetischen Verlusten, die der Körper zur Substanzerhaltung ausgleichen muss. Maßgebend dafür sind alle chemischen Vorgänge im Körperinneren, die als Stoffwechsel (Metabolismus) bezeichnet werden.
Dabei stehen sich in allen lebenden Zellen stets gleichzeitig zwei Stoffwechselprozesse gegenüber. Zum einen aufbauende Prozesse (Anabolismus) beispielsweise Eiweißsynthese, Milchzuckersynthese, Fettsynthese oder Knochenbildung, zum anderen abbauende Prozesse (Katabolismus), wie beispielsweise Knochenabbau und Wasser.
Überwiegen die anabolen Prozesse, dann ist eine sogenannte anabole Stoffwechsellage gegeben, zum Beispiel beim wachsenden Fohlen oder beim Pferd im Konditionstraining mit verstärkter Muskelbildung. Beim Überwiegen der katabolen über die anabolen Prozesse ergibt sich eine katabole Stoffwechsellage. Diese ist gegeben bei Unter- und Fehlernährung, Krankheit und hohem Alter. Dabei vermindert sich die Körpermasse so lange, bis der Organismus stirbt.
Sind die anabolen gleich groß wie die katabolen Stoffwechselprozesse, erhält sich der Körper in dem Zustand, in dem er sich befindet: ein Fließgleichgewicht besteht.
Vorgänge, die dem Sättigungszentrum des Organismus signalisieren, dass eine ausreichende Nahrungsaufnahme erfolgt ist, sind beispielsweise die nach der Futteraufnahme gesteigerte Wärmeerzeugung des Körpers, hormonelle Faktoren (Leptingehalt des Blutes), der jeweilige Gehalt an Blutzucker oder der Konzentrationsgrad an flüchtigen Fettsäuren.

Fehlgärungen, Gasbildung

Fehlgärungen entstehen durch verstärkte Gasbildung, erhöhte Säureproduktion, in speziellen Fällen aber auch durch Toxinbildung. Verschiedenartige Koliken verursachen mit Sekundärfolgen Aufblähung, Schleimhautreizungen und Verkrampfung etc.
Primäre Fehlgärungen entstehen meist durch erhöhte Keimgehalte im Futter, sodass sie vorrangig im Magen-Dünndarm-Bereich auftreten.
Sekundäre Fehlgärungen, vor allem im Dickdarmbereich, sind die Folge unvollständiger Zerlegung bzw. Resorption von Nahrungsbestandteilen im vorderen Bereich des Verdauungskanals nach Aufnahme überhöhter Futtermengen, schwer abbaubarer Substanzen oder bei einer Insuffizienz von Pankreas und Dünndarm.
Dann gelangen unphysiologisch hohe Anteile un- und teilverdauter Nahrungsstoffe in die tieferen Darmabschnitte und werden dort mikrobiell fermentiert. Auch jede Erschlaffung des Darms durch Toxine, Kalium- oder Kalziummangel oder Schock begünstigen Fehlgärungen.

Fehlgärungen im Magen

Im Magen sind Fehlgärungen heute relativ häufig, beispielsweise nach Aufnahme von keimreichen Mischfuttern, von nicht abgelagertem Hafer oder Heu, von gefrorenen oder ange­faulten Wurzeln und Knollen oder auch von frischem Grünfutter, welches in Haufen gelegen hat und in dem sich Mikroorganismen vermehrt haben.
Zunächst wirkt kein saurer Magensaft auf den Mageninhalt ein, sodass auch unter physiologischen Bedingungen mikrobielle Umsetzungen stattfinden. Nach Aufnahme von keimreichem Futter können sich die Mikroorganismen nach Befeuchtung und Erwärmung stürmisch vermehren.
Stark verhefte Futtermittel führen häufig innerhalb kurzer Zeit nach Aufnahme infolge Gasbildung und Druck­erhöhung im Magen zu schweren Koliken, bei vermehrter Milchsäurebildung auch zu Schleimhautreizungen. Futtermittel, die im Magen stark verkleistern, wie beispielsweise größere Mengen an Roggen- oder Weizenschrot, können auch ohne hygienische Mängel zu Fehlgärungen im Magen beitragen, weil durch die Durchdringung des Mageninhaltes unkontrolliert mikrobielle Umsetzungen ablaufen.
Auch Stresssituationen, die eine ausreichende Magensaftreaktion behindern, wie zum Beispiel unmittelbar starke Belastung nach der Fütterung, Aufregung oder Futterneid, lösen solche Einwirkungen aus.

Fehlgärungen im Dünndarm

Fehlgärungen im Dünndarm, die innerhalb von zwei bis vier Stunden nach der Futteraufnahme auftreten – häufig als Krampfkolik bezeichnete Störungen – sind vielfach auf Fehlgärungen in diesem Bereich zurückzuführen, da sich in dieser Zeit bereits ein Teil der aufgenommenen Nahrung im Dünndarm befindet. Bei Kombination von Mischfutter mit nicht einwandfreiem, keimbelastetem Stroh treten die Symptome verstärkt auf.

Fehlgärungen im Blinddarm

Im Blinddarm entstehen Fehlgärungen meist sekundär, häufig nach übermäßiger Aufnahme von Krippenfutter, das heißt, wenn zu große Mengen hochverdaulicher Substanzen den Dickdarm erreichen.
Je größer die aufgenommene Kraftfuttermenge in einer begrenzten Zeit ist, umso mehr hochverdauliche Komponenten fließen in den Blinddarm und werden dort unter Bildung hoher Säuremengen mikrobiell abgebaut.
Die dabei entstehende Milchsäure verursacht nicht nur Reizungen der Darmschleimhaut und eine Senkung des PH-Wertes, sondern auch Motilitätsstörungen im Darmrohr, Veränderungen der Osmolarität und über die Abtötung von Mikroorganismen auch die Freisetzung von Endotoxinen.

Fehlgärungen im Grimmdarm

Fehlgärungen in diesem Teil des Dickdarms werden vorwiegend nach größeren Mengen von jungem Grünfutter beobachtet, also Futtermitteln, die erst im Dickdarm einem intensiven Abbau unterliegen. Dickdarm-Aufblähungen zeigen sich auch nach übermäßiger Aufnahme von Brot und Äpfeln. Diese auch als Windkolik bezeichnete Kolikform ist gekennzeichnet durch übermäßige Ausdehnung des Darms infolge rascher Gasentwicklung.
Die selbstständige Form wird durch die Aufnahme von blähenden, keim- und phosphatasereichen Futtermitteln verursacht. Die Fütterung von Hülsenfrüchten mit ihrem Gehalt an Arsenat würde diese enzymatische Wirkung noch steigern.
Beim Pferd tritt schon während der Futteraufnahme Mageninhalt in den Dünndarm über und gelangt bereits nach zwei Stunden in den Dickdarm. Daher entstehen fütterungsbedingte Blähungen bald nach der Futteraufnahme und erstrecken sich rasch über den ganzen Verdauungstrakt.
Hierbei wirken die Phosphatasen der Futtermittel und der Darmflora als Katalysatoren beim Abbau der Kohlenhydrate zu Kohlendioxid (67 %), es werden aber auch Methan (26 %), Schwefelwasserstoff und andere Gase gebildet. Der dehnungs- und der chemische Reiz der Gase lösen gesteigerte krampfhafte Peristaltik und Kolikschmerzen aus.
Je nach Ausmaß der Aufblähung beobachtet man geringe Kolikerscheinungen (leichte Unruhe, verstärkte Darmgeräusche), bis hin zu hochgradigen Kolikanfällen und Vergrößerung des Bauchumfangs sowie erschwerter Atmung. Der Kot riecht säuerlich und ist oft mit Gasblasen durchsetzt. Der Kotabsatz ist meist vermindert.

Birgit Vaupel, Tierheilpraktikerin

Lesen Sie den kompletten Artikel in der Ausgabe 11/2013 von Reiter & Pferde in Westfalen.
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