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Anush Argawalla und Hubertus Schmidt besprechen den Turnierplan.

© J. Pongratz

Von Null auf Grand Prix

Wenn man mit 17 Jahren seine Heimat und seine Familie verlässt, um seinem großen Traum zu folgen und reiten zu lernen, dann meint man es wohl wirklich ernst. Anush Argawalla hat diesen Weg beschritten und hat im Mai 2017 seine Koffer im heimischen Kolkata – in Deutschland bekannt unter dem Namen Kalkutta – in Indien gepackt, um aus der Millionen-Metropole in das beschauliche Dorf Borchen-Etteln bei Paderborn zu ziehen.

Seit fast viereinhalb Jahren lebt der junge Inder jetzt auf dem Fleyenhof der Familie Schmidt und lernt von Mannschafts-Olympiasieger und -Weltmeister Hubertus Schmidt das Dressurreiten von der Pike auf.
„Ich bin damals hierhergekommen und konnte eigentlich gar nicht reiten. In Indien bin ich zweimal pro Monat auf einem Pony geritten, was aber mit dem Reiten hier gar nichts zu tun hat. Ich habe mit Longenstunden zur Sitzschulung bei Doris Schmidt, der Frau von Hubertus Schmidt, angefangen, das Reiten überhaupt erst zu lernen.“

Der heute 21-jährige Student kam damals mehr oder weniger durch einen Zufall zum Fleyenhof. Bereits bei seinen Reitversuchen in Indien war ihm klar, dass er dort keine Fortschritte machen kann. Er hat daraufhin seiner Familie von seinem großen Wunsch erzählt, dass er reiten lernen möchte und ein erfolgreicher Dressurreiter für Indien werden will. Somit orientierte sich seine Familie in Richtung Europa und legte den Fokus auf Deutschland, um hier geeignete Trainer und Ställe für Anush zu finden.

Allein in der Fremde
„Wir haben im Internet nach internationalen Reitern und Ställen recherchiert und verschiedene Kontakte einfach angeschrieben. Familie Schmidt hat geantwortet und so bin ich zu einem ersten Kennenlernen und Probereiten nach Deutschland gereist. Danach stand fest, dass ich hier mein Training starten darf“, erinnert sich der ambitionierte Dressurreiter. „Die erste Zeit in Deutschland war dann aber doch sehr schwer. Ich war in einem fremden Land, habe die Sprache nicht gesprochen, konnte nicht reiten, während alle anderen um mich herum sehr gut ritten, konnte kein Autofahren und habe noch nie alleine gewohnt, also noch nie wirklich aufgeräumt oder gekocht.“

So war der Umzug nach Deutschland für Anush Argawalla nicht nur aus reiterlicher Sicht völliges Neuland, sondern hat auch im alltäglichen Leben neue Welten aufgezeigt. Heute hat sich das Bild des damals etwas verloren wirkenden Jugendlichen komplett verändert. Der junge Mann hat sich in den vergangenen knapp viereinhalb Jahren zu einem erfolgreichen Dressurreiter auf internationalem Grand Prix-Niveau entwickelt.

Zum Start am Fleyenhof hatte seine Familie sichere Lehrpferde auf L- und M-Niveau für Anush gekauft. Hier sammelte er erste Turniererfahrungen auf ländlichen Reitturnieren im Kreis Paderborn. Nach nur zwei M-Dressuren stand bereits 2018 die erste S-Dressur auf dem Programm. Es folgte das erste internationale Turnier im April 2018 in Hagen. Die erste S-Platzierung im St. Georg erreichte Anush auf dem Reitturnier in Hövelhof im Oktober 2018. Darauf folgte dann der erste Grand Prix im April 2019 wieder in Hagen.

Das viele harte Training hatte sich somit ausgezahlt und mit dem Sprung in die schwere Klasse traten nach und nach die aktuellen vierbeinigen Sportpartner in sein Leben. Allen vorweg der 15-jährige Westfale Flovinos Feiner Kerl. Der großrahmige Wallach ist heute das Grand Prix-Pferd von Anush und hat ihm in diesem Jahr zu seiner ersten Grand Prix-Platzierung in Bettenrode verholfen. Seit 2018 ist der Wallach im Besitz der Familie Argawalla und wird von Anush nur liebevoll bei seinem Spitznamen „Manni“ gerufen. Außerdem gehören der 14-jährige Hannoveraner Hengst Loro Piano und der ebenfalls 14-jährige, gekörte Hengst Sir Caramello OLD zum Pferde-Team des jungen Inders. Mit Loro Piano erritt er 2021 seine erste internationale Platzierung im St. Georg in München.

Das große Ziel des Schülers von Reitmeister Hubertus Schmidt war es dann auch, die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio zu erreichen und Indien bei den Spielen in der Dressur zur vertreten. Die Qualifikationswege für die Olympischen Spiele folgen dabei kontinentalen Zonen, wobei Indien zur Zone 7 „South East Asia“ gehört. Für diese Zone werden nur zwei Plätze insgesamt bei der Dressur vergeben und Anush Argawalla hat die Qualifikation um einen Platz verpasst. „Natürlich war das ein großer Traum, aber mit 21 Jahren bin ich noch so jung, dass ich dann einfach in drei Jahren für die Spiele 2024 die Qualifikation zu meinem großen Ziel machen werde“, sagt er.

Lesen Sie den gesamten Artikel in der neuen Ausgabe von "Reiter & Pferde in Westfalen".

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