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Patricia Großerichter

Patricia Großerichter und ihr Vater Gerhard Großerichter, der seine Tochter im Alltag unterstützt.

© Alexandra González/Reiter & Pferde in Westfalen

Patricia Großerichter: „Ich möchte auch Vorbild sein“

Patricia Großerichter ist Para-Fahrerin und hat in ihrem Sport viel erreicht. Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere ist die Silbermedaille und die Mannschafts-Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften 2023.

Dass der Pferdesport einen echten Beitrag zur Inklusion leistet, beweisen nicht allein die Para-Reiter. Genauso inklusiv ist der Para-Fahrsport. In beiden Disziplinen starten viele Athleten sowohl in ihren eigenen Wettbewerben als auch im Regelsport.

Eine von ihnen ist die Para-Fahrerin Patricia Großerichter aus Steinfeld. Die 32-jährige Beamtin mit dem Tätigkeitsfeld Wirtschaftsförderung fährt für den westfälischen Fahrclub Zwölf Eichen in Stemwede und ist nicht nur bis zur Klasse S im Regelsport platziert, sondern amtierende Deutsche Vizemeisterin, amtierende Vizeweltmeisterin der Para-Fahrsportler in Grade I sowie Mannschafts-Weltmeisterin. Die Grade I-Fahrerin ist durch eine infantile Zerebralparese, die spastische Lähmungen verursacht, eingeschränkt. Deshalb ist sie auf ein eingespieltes Team angewiesen, das sie bei ihrem Sport unterstützt.

Im Alltag sind das meistens ihr Vater Gerhard Großerichter, ihre Mutter Marion Großerichter sowie Sarah Weier, mit denen sie zu ihren Ponys Gentle-Man und Dornik Star fährt und die ihr beim Versorgen, Anspannen und im Training helfen. Auf Turnieren sind Louisa Beckmann, Christoph Lepper oder Sarah Weier ihre Beifahrer. Deren Aufgabe ist nicht nur das Ausbalancieren des Wagens. Sie sind zudem für das Bremsen zuständig, denn Patricia Großerichter hat nicht genügend Kraft in ihren Beinen, um die Bremse am Wagen zu bedienen.

Daher hat sie speziell für sie angepasste Kutschen, die ihr mit einem Spezialsitz seitlichen Halt geben und über Bremspedale für den Beifahrer verfügen. Für ihre Ponys hat Patricia Große­richter zudem eine Reitbeteiligung, die Jolin Bothe übernommen hat. Denn das Training der Ponys soll so abwechslungsreich wie möglich gestaltet werden. Leon Göttkehaskamp und Sofie In der Wische gehören auch zum Team und helfen, wenn Not am Mann ist.

Ihre Fahrsportkarriere startete Patricia Großerichter mit 17 Jahren. Doch zuvor hat sie es mit dem Reiten versucht. „Schon als Kleinkind war sie völlig pferdebesessen. Auf dem Schaukelpferd ritt Patricia ums Haus herum, laufen konnte sie da noch nicht“, erinnert sich Gerhard Großerichter schmunzelnd.

„Ich wollte immer reiten“, erzählt Patricia Großerichter, doch reguläre Reitschulen trauten sich nicht,  sie als Mensch mit Behinderung zu unterrichten. Damals gab es noch nicht so viele therapeutische Reitmöglichkeiten in ihrer Umgebung. 1998 begann Patricia Großerichter dann aber mit dem Reiten in einer therapeutischen Einrichtung. „Ich ritt Schritt und Trab eigenständig, Galopp an der Longe, konnte mein Pferd  alleine fertig machen“, blickt sie zurück. Nach verschiedenen Operationen vermochte sie nicht mehr gerade und ausbalanciert zu sitzen. „Ich machte Rückschritte beim Reiten, während alle anderen Fortschritte machten – das war sehr frustrierend und irgendwann fühlte ich mich auf dem Pferderücken nicht mehr heimisch.“

Doch anstatt zu resignieren, sah sich Patricia Großerichter nach anderen Möglichkeiten des Pferdesports um. „Ich hatte schon damals das Fahren im Hinterkopf, durfte als Kind ein paar Mal beim Onkel einer Schulfreundin und seiner Haflingerstute mitfahren. Mir fehlte zu dem Zeitpunkt, als ich erkannte, dass das Reiten wie vorher nie wieder möglich sein wird, jedoch eine Anlaufstelle für den Einstieg in den Fahrsport  und so landete die Idee erst einmal wieder in der Schublade.“

Mentor Heiner Lehrter
Etwas später traf sie in der Oberstufe eine Mitschülerin, die Fahrpferde ritt. „Ich begleitete sie zu ihrem Stall und kam so wieder mit dem Fahrsport in Berührung“, erzählt Patricia Großerichter. Zu einem Fahrturnier fuhr sie irgendwann ganz allein. Dort kam Patricia Großerichter der Zufall zu Hilfe: Die Frau des Vorstandsvorsitzenden sprach sie an und bot ihre Hilfe an. So kam Patricia Großerichter in Kontakt mit ihrem ersten Trainer, Peter Borgmann, bei dem sie das erste Mal selber an die Leinen durfte. Peter Borgmann wiederum kannte Heiner Lehrter, ein Altmeister des Para-Fahrsports, der sie zu sich einlud und sie mitnahm zur Interessengemeinschaft Fahren für Menschen mit Behinderung e.V., wo sie sich mit anderen Pferdebegeisterten austauschen konnte.

„Wir sprachen über das Training, Hilfsmittel, den Sportgesundheitspass und die Turniere. Dort bekam ich viel Input und Hilfestellung“, berichtet Patricia Großerichter. Viele der IG-Fahrer sind schon lange dabei. Heiner Lehrter unterstützte sie beim Einstieg in den Turniersport und lieh ihr seine erfahrene Beifahrerin für die ersten Geländeprüfungen aus. „Ich hatte Glück, an der richtigen Stelle gelandet zu sein.“

Bei Heiner Lehrter fand Patricia Großerichter auch ihr erstes Pony Dornik Star, genannt Dorni. „Heiner wollte Dorni verkaufen, weil er ihm zu brav war. Er suchte ein Nachwuchspony mit Potenzial für Klasse S, dafür fehlte Dorni aus seiner Sicht das Go. Aber er war davon überzeugt, dass er ein fantastisches, zuverlässiges Anfängerpony für mich ist.  Und damit hatte er Recht: Für den Start in den Sport war Dorni das perfekte Pony für mich“, freut sich Patricia Großerichter noch heute über die glückliche Fügung.

Fünfjährig kam der Wallach zu ihr. Vater Gerhard glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, seine Tochter wolle nur ein bisschen spazieren fahren. Für Patricia Großerichter war aber von Anfang an klar, dass sie an Turnieren teilnehmen will. „Weltmeister zu werden ist gar nicht schwer, man braucht nur ein gutes Pony und einen Dickkopf“, schmunzelt Gerhard Großerichter und erzählt die Anekdote, wie es das erste Mal beim Turnier in Wettringen war. Dort hatte sich  Heiner Lehrter ihrer angenommen und fragte stolz einen Fahrerkollegen: „Was hältste von der?“ „Jaaa“, sagte der, „die sitzt ein bisschen schief.“ „Die ist so schief“, antwortete Heiner Lehrter. Damit war das Thema geklärt und Patricia  Großerichters Sport-Karriere nahm ihren Lauf.

Mit Dorni war sie im Regelsport bis zur Klasse S erfolgreich in der Dressur. Im Para-Sport waren die beiden bis zu den Deutschen Meisterschaften platziert. „Er mag aber nicht so gerne im Gelände gehen“, erzählt Patricia  Großerichter.

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