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Allgemeine Sorgfaltspflicht: Jagdveranstalter haften für Schäden, die bei vorheriger Benachrichtigung der Anlieger hätten vermieden werden können.

© B. Petercord

Welche Sorgfaltspflicht hat ein Jagdleiter?

Frage:

Welche Sorgfaltspflicht hat ein Jagdleiter?
Zu: Recht & Rat, „Im Wald und auf der Weide“, R&P, 1/2013, S. 26:

„In der Ausgabe 1/2013 behauptet  Rechtsanwältin Olga A. Voy-Swoboda in der Rubrik Recht & Rat, dass im Vorfeld einer Treibjagd Anlieger, insbesondere Reitbetriebe und andere Tierhalter informiert werden müssen. Diese Aussage ist nicht richtig. Wäre es Pflicht, müsste der Jagdleiter die rechtzeitige Benachrichtigung aller Tierhalter beweisen können.
Ich bin selber Pferdehalter und Jäger und bin für einen offenen unkomplizierten Dialog untereinander. Dieser Artikel verstärkt aber die Meinung unter den Pferdeleuten ‚Wenn der Jäger mich nicht erreicht hat, darf er an der Weide auch nicht jagen.‘ Das führt zu unnötigen Konfrontationen.“
Josef Schnermann, Velen

Antwort:

Gebotene Vorkehrungen treffen
R&P-Autorin Rechtsanwältin Olga A. Voy-Swoboda erläutert die Gesetzeslage:


„Richtig ist, dass es keine gesetzlich normierte ausdrückliche Pflicht für Jagdveranstalter gibt, die (gesamten) Anlieger von einer bevorstehenden Jagdveranstaltung zu informieren. Dies ist aus Sicht der Jäger auch mit Sicherheit in den allermeisten Fällen nicht praktikabel und umsetzbar.
Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht allerdings, dass keine Dritten durch die Jagd zu Schaden kommen dürfen –  und diese ist gesetzlich verankert –  ist es angezeigt, sich zunächst davon zu vergewissern, dass sich keine Tiere und Menschen im Bereich der Veranstaltung aufhalten und sodann Tierhalter oder auch andere Anlieger von der Jagd zu benachrichtigen. Auch durch die Jagd gefährdete potentielle Verkehrsteilnehmer sind durch entsprechende Warnhinweise oder Warnposten auf die Jagd hinzuweisen (Bundesgerichtshof, VersR 1976, 593 und Landgericht Rostock, NJW-RR 2003, 522). Wird dies nicht getan, haftet der Jagdveranstalter für eingetretene Schäden, die durch die vorherige Benachrichtigung oder Warnung hätten vermieden werden können. In dem Artikel wird konkret Bezug genommen auf den Fall eines auf der Weide zu Schaden gekommenen Pferdes, welcher ausführlich in R&P 10/2010 beschrieben wurde und dem ein Urteil des OLG Düsseldorf, 28. Januar 2004; I-15 U 66/01, zugrunde liegt. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wäre es die Pflicht des Jagdveranstalters in diesem konkreten Fall gewesen, den Pächter dieser Pferdeweide, die mitten im Zentrum der Treibjagd lag, zuvor zu benachrichtigen und ihm nahe zu legen, seine Tiere dort herunterzuholen.
Da er dies nicht getan hatte, traf ihn das Verschulden an dem verstorbenen Pferd zu 60 %. Den Tierhalter selbst trafen 40 % Mitschuld wegen der Verwirklichung der typischen Tiergefahr, also der Realisierung der tierischen Panik, die hier bis zum Tode des Pferdes führte.

Auszüge aus dem Urteil lauten:

„Der Beklagte hat aber gegen die ihn als Jagdveranstalter treffende Verpflichtung verstoßen, sich entweder vor Beginn der Treibjagd, welche sich in einem überschaubaren Bereich auf der Fläche von einem Quadratkilometer abspielte, zu vergewissern, dass sich in diesem Bereich keine Tiere befanden, welche eventuell durch die Schüsse der Jäger, den hierdurch erzeugten Lärm und die Hunde gefährdet werden könnten, oder aber Eigentümer oder sonstige Nutzer des Schweinestalls und der Weidefläche von der bevorstehenden Jagd zu unterrichten, damit diese ihrerseits Schutzvorkehrungen für die durch die Jagd gefährdeten Tiere treffen konnten. Der Urheber einer besonderen Gefahrenlage, wie sie die Ausübung der Jagd darstellt, ist verpflichtet, die gebotenen Vorkehrungen zu treffen, um Dritte vor einem drohenden Schaden zu bewahren.

Für die Verkehrspflichten im Zusammenhang mit der Ausübung gefährlicher Sportarten, in die auch die Jagd einzubeziehen ist, gilt, dass sich alle Sportteilnehmer so verhalten müssen, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. (Münchener Kommentar – Mertens, BGB, 3. Auflage 1997, § 823, Rdnr. 329 ff.)
Hinsichtlich der deliktischen Haftung des Jagdausübungsberechtigten in Verbindung mit der Veranstaltung einer Treibjagd hat der Bundesgerichtshof (VersR 1976, 593), und ihm folgend das Landgericht Rostock (NJW-RR 2003, 522), entschieden, dass der Jagdausübungsberechtigte zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist, wenn
er – etwa als Veranstalter und Organisator einer Jagd – die Wahrscheinlichkeit von Wildwechsel über eine verkehrsreiche Straße erhöht; er es also zu verantworten hat, dass sich die hieraus ergebenden Gefahren für den Straßenverkehr vergrößern.

Zwar könnten nicht alle nachteiligen Auswirkungen der Jagd von dem Verkehr ferngehalten werden. Wo aber der Straßenverkehr über das Maß normaler Verkehrserwartung hinaus durch bei der Jagd hochgemachtes Wild beeinträchtigt werde, müsse den daraus resultierenden erhöhten Gefahren entweder durch wirksame Maßnahmen begegnet werden oder die Jagd müsse unterbleiben. Deshalb wird der Jagdausübungsberechtigte für verpflichtet gehalten, bei Treib- oder Drückjagden das Wild nicht in Richtung auf eine befahrbare Straße zu treiben oder zu drücken, sodass entlang der gefährdeten Straße ausbrechendes Wild von einem Wechsel über die Straße abgehalten werde, oder durch Warnbilder und Warnposten die Verkehrsteilnehmer auf  die Jagd hinzuweisen (BGH, VersR, 1976, 593 (594) m.w.N.).
Die Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat in vollem Umfang folgt, führt hier zu einer Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
Die Ausführung einer Kesseljagd, in deren Zentrum sich eine Weidefläche und ein Stall befindet, führt erkennbar zu einer erhöhten Gefährdung für die dort gehaltenen Tiere durch die konzentriert abgegebenen Schüsse und die damit verbundene Lärmentwicklung.
Auch wenn dem Beklagten nicht bekannt gewesen sein sollte, dass sich im Zeitpunkt der Jagdveranstaltung Pferde auf der Weide befanden, hätte er sich im Hinblick auf die ihm bekannte Nutzung sowohl der Weide als auch des angrenzenden Stalls zur Tierhaltung darüber informieren müssen, ob eine Gefährdung ausgeschlossen werden konnte. Im Hinblick auf die begrenzte Fläche, auf der die vorher geplante Jagd stattfinden sollte, ist die Begründung einer solchen Pflicht auch nicht unzumutbar.

Der Beklagte trägt in seinem Schriftsatz vom 02.12.2003 selbst vor, dass im Hinblick auf das Bekanntschaftsverhältnis, das zwischen Jagdpächtern und Grundstücksnutzern häufig in ländlichen Gebieten herrsche, eine Benachrichtigung über bevorstehende Treibjagden dort durchaus gebräuchlich sei.
Er kann sich im Streitfall nicht mit Erfolg darauf berufen, dass wegen der Vielzahl der verschiedenen Grundstücksnutzer in stadtnahen Gebieten eine solche Benachrichtigung mit zumutbarem Aufwand kaum durchführbar sei.
Denn hier waren höchstens zwei Nutzer – der Betreiber des Schweinestalls und der Kläger – von der Treibjagd betroffen. Ihre Grundstücke befanden sich genau im Zentrum dieser Jagd. Zwei Nutzer ausfindig zu machen und zu benachrichtigen, stellt aber – unter Berücksichtigung der erheblichen Gefahren, die den im unmittelbaren Bereich einer Treibjagd gehaltenen Tieren drohen – keinen unverhältnismäßigen und daher unzumutbaren Aufwand dar.‘

Im Ergebnis können sich Jäger mit der Information der Anlieger also eher nützen als schaden!“ 
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