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Maike, Wolfgang und Manuela Schneider mit Minishettystute (v. li.).

© A. González

Leidenschaft für kleine Pferde

Im Gestüt Veischedetal werden seit 16 Jahren Shetlandponys gezüchtet.
Dort, wo man es gar nicht vermuten würde, liegt das Gestüt Veischedetal – zwischen der Bundesstraße 55 und der Dorfstraße des kleinen Orts im Sauerland nahe Olpe inmitten der Wohnbebauung. Das Haus ist weiß getüncht mit roter Tür, links ein niedriger Holzzaun, der hinter dem Haus verschwindet, rechts das angrenzende Haus. Nur eine Palette mit Leinstroh lässt erahnen, dass hier Pferde wohnen – und was für welche!
Die Minishetlands im Originaltyp der Züchtergemeinschaft Schneider haben in den vergangenen Jahren die Zuchtveranstaltungen in Westfalen dominiert. Siegerhengste, Siegerstuten und Goldfohlen am laufenden Band präsentieren Wolfgang Schneider und seine Familie bei den Events. Gerade kehrten sie vom Handorfer Kleinpferdetag mit einem Siegerfohlen, einem Reservesiegerfohlen und einer Reservesiegerstute zurück. 2019 präsentierten sie die Bundessiegerin der älteren Stuten. 2017 und 2018 stellte die Zuchtgemeinschaft jeweils den Siegerhengst ihrer Rasse bei der westfälischen Hauptkörung in Münster-Handorf. Für die Körung 2021 sind zurzeit zwei junge Hengste in der Aufzucht.
Begonnen hat die Leidenschaft für die kleinen Pferde, nachdem die beiden Töchter Pia und Maike geboren waren und endlich wieder etwas Zeit neben Beruf und Kindern freigeschaufelt werden konnte. 2004 kamen die ersten Shetlands in den Stall von Wolfgang und Manuela Schneider. Beide sind von Hause aus Horsemen reinsten Wassers, ritten zuvor aktiv, auch auf dem Turnier. Manuela Schneider bildete Springpferde für Josef Platte, den bekannten Züchter und Hengsthalter aus dem benachbarten Attendorn, aus, Wolfgang Schneider tat dasselbe für einen befreundeten Züchter aus der Gegend. „Bei den Pferden haben wir uns auch kennengelernt“, erzählt Wolfgang Schneider schmunzelnd.

Die kleinen sind handlicher ...

Das Ehepaar arbeitet heute gemeinsam in der familieneigenen 20 km entfernten Schreinerei in Schmallenberg. Dass sie nicht an ihre aktive Zeit mit den Turnierpferden anknüpfen können, war beiden damals klar. „Auch die Überlegung, ob ich wohl mit 70 noch Hengste vorführen kann, floss in unsere Überlegungen ein“, begründet Wolfgang Schneider und lacht. Also kauften sie zwei Hengstfohlen der kleinen Rasse. Beide Hengste wurden damals gekört und stehen noch heute im Stall in Veischedetal – Pegasus und Olympus sind ihre Namen. Ein Jahr später folgten den Hengsten zwei Stuten, eine von ihnen tragend. „Ehe wir uns versahen, waren wir wieder im Pferdebusiness gelandet“, erinnert sich Wolfgang Schneider amüsiert. – Nur dass es dieses Mal eine oder vielleicht sogar zwei Nummern „kleiner“ ausgefallen ist.
Im Haus wurde alles für die neuen Mitbewohner eingerichtet: Boxen, Geschirrkammer, Solarium, Kameras zur Überwachung der tragenden Stuten ... „Wenn die Zeit der Abfohlungen naht, dann muss ich nur im Schlafanzug runter zu den Pferden und bin schon da, wenn nötig“, erzählt Wolfgang Schneider stolz. Natürlich ist die gesamte Einrichtung für die Shetlands selbst gebaut und maßgeschneidert. „Für die Kleinen gibt es ja nichts von der Stange.“
Aus dieser Not heraus hat Familie Schneider auch einen eigenen Vertrieb, den Mini-Shop-Veischedetal für Mini-Shetland-Ausrüstung gegründet. Und die Spezialisierung geht noch weiter: Weil auch die Ernährung der Robustponys spezielle Anforderungen stellt, hat Wolfgang Schneider mit einer bekannten deutschen Futtermühle Kontakt aufgenommen, um das ideale Futter für seine Minis zu bekommen. „Das Futter wurde für Spezialrassen und andere Pferde mit besonderen Ansprüchen an die Spurenelement-  und Vitalstoffversorgung konzipiert, taugt aber auch wunderbar für die Shetlands. Es ist gut abgestimmt auf die Bedürfnisse des Langhaarwachstums, hält die Haut gesund und wirkt Allergien entgegen“ erklärt der Experte.

Selektiert wird strikt

Glück hat Schneider mit dem Standort, an dem seine Ponys leben: Die mageren Mittelgebirgsweiden kommen den Ansprüchen der Pferde entgegen, sie können quasi ganzjährig auf ihnen laufen. Andernorts müssen Züchter oft rationieren, denn die energiereichen Aufwüchse verursachen bei den Ponys schnell Verfettung und Hufrehe.
Anspruchsvoll sind die Schneiders auch bei der Selektion ihrer Zuchtponys. Rasse- und Geschlechtstyp, Gangkorrektheit und ein gesundes, belastbares Fundament sind ihnen die wichtigsten Merkmale. Bereits die Fohlen werden genauestens unter die Lupe genommen. Oft wird schon zu diesem Zeitpunkt entschieden, wer bleiben darf und wer als Liebhaberpony verkauft wird. Zudem führen eine Allergieneigung, Patellaluxation (Kniescheibenverschiebung) oder genetische Krankheiten wie das Verzwergungsgen zum Zuchtausschluss. Hin und wieder werden auch zur Zucht geeignete Ponys verkauft, die zwar die Schneidersche Zucht nicht weiterbringen würden, an anderer Stelle aber Fortschritt versprechen.
Die aktuelle Entwicklung in der Zucht der Minis bewertet Wolfgang Schneider, der auch Mitglied der Stutenbewertungskommission ist, positiv. „Die Ponys stehen wieder mehr im Rassetyp, nachdem es eine Zeit gab, in der die Selektion eher in Richtung ‚Typ kleine Reitponys‘ ging.“ Auch die Korrektheit des Fundaments sei besser geworden. Das umfasst nicht nur die Knochenstärke und die Stellung der Achsen, sondern auch die Hufform.
Eher ablehnend steht Schneider der Farbzucht gegenüber. „Die Selektion auf bestimmte Farben darf nicht zulasten der Gesundheit und Korrektheit gehen“, findet er und zitiert die überlieferte Wahrheit, dass ein gutes Pferd keine Farbe habe. Allerdings sei eine Nachfrage nach bestimmten Farben, etwa dem derzeit modernen „Mushroom“, unzweifelhaft vorhanden. „Einige Züchter werben damit, dass ihre Ponys das Mushroom-Gen tragen“, erklärt er.

Die Idee des Kleinpferdetags

Nicht nur nach Verbesserung der eigenen Zucht strebt Wolfgang Schneider, er kümmert sich auch um die Rasse Original Shetland unter 87 cm im internationalen Zusammenhang. Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist der Handorfer Kleinpferdetag, der 2020 zum vierten Mal stattfand. Abgeschaut hatte sich der umtriebige Pferdemann das Konzept bei den Niederländern, zu denen er rege Kontakte unterhält. Dort gibt es zum einen eine viel größere Shetlandpopulation als in Deutschland und zum anderen große Zuchtveranstaltungen, wie beispielsweise die Körung der Shetlandrassen, an der häufig nicht weniger als 90 Pferde teilnehmen. „Ich hatte 2016 Wilken Treu eingeladen, mich dorthin zu begleiten. Er hat das auch tatsächlich getan und sich vor Ort einen Eindruck von den Ponys und der Veranstaltung verschafft. Auch mit aktiven Züchtern hat er sich dort unterhalten“, berichtet Wolfgang Schneider.
Das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen des Zuchtleiters und des Shetlandliebhabers sowie einiger Mitglieder des Zuchtbeirats war der Handorfer Kleinpferdetag, an dem sich jetzt immer im Juli die Züchter der Stuten und Fohlen der Shetlandrassen und anderer Kleinpferderassen treffen.
„Nur mit einer zentralen Veranstaltung ist es möglich, das züchterische Geschehen in den Shetlandrassen zu überblicken und zu beurteilen“, ist Wolfgang Schneider überzeugt. „Was nützt es, wenn auf vielen Plätzen jeweils ein oder zwei Kleinpferde antreten?“, so seine rhetorische Frage.
Dem ehemaligen Zuchtleiter Westfalens, Wilken Treu, ist er dankbar, dass er ein offenes Ohr für die Idee des Kleinpferdetags zeigte. Denn es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit bei den Züchterkollegen, bis die Idee des Kleinpferdetags umgesetzt werden konnte. „Das wäre ohne die Unterstützung des Zuchtleiters nicht möglich gewesen“, sagt Wolfgang Schneider. Nun sind die westfälischen Kleinpferdezüchter mit ihrer Veranstaltung sogar so weit gediehen, dass niederländische Kollegen sich in Münster informieren und Ideen vom Kleinpferdetag mit in die Heimat nehmen.

Ponys sind „Familiending“

Zu Hause in Veischedetal ist besonders im Winter, wenn es früh dunkel wird, alles voll durchgetaktet, denn schließlich sind alle berufstätig: die Eltern im familieneigenen Betrieb und die Töchter Pia und Maike in ihren Berufen als Bauingenieurin und Kinderärztin in Ausbildung. Besonders Pia Schneider ist in die Ausbildung und Vorbereitung der Ponys auf Zucht-events eingebunden. „Wenn wir die Ponys einmustern, dann üben wir hier auf der Straße bei uns vor dem Haus“, erklärt Manuela Schneider. Meistens obliegt es Pia, die Ponys zu führen. Der Rest der Familie betrachtet das Ganze dann kritisch. Anschließend werden Selektionsentscheidungen gefällt oder Verbesserungsvorschläge für die Präsentation gemacht.
Dass die Ponys inmitten des Wohngebiets laufen, stört mittlerweile niemanden mehr, weder Ponys noch Anwohner, denn schließlich sind alle seit über 15 Jahren an den Anblick gewöhnt. Durch den Namen des Gestüts „aus dem Veischedetal“ wird die Verbundenheit zu der Heimatregion, dem Veischedetal, unterstrichen und der Ort auch immer wieder mal in überregionalen Medien erwähnt.

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